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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Flüchtlinge verdienen unsere Sorge

Interview mit Peter Deibler, Seelsorger für Asylwerber

Der Pfarrer von Klagenfurt-Welzenegg und Asylwerberseelsorger über die gut vorbereitete Taufe von Ausländern, dumpfe Ausländerfeindlichkeit - auch in der Kirche - und die Bereicherung unserer Gemeinden durch Flüchtlinge

Peter Deibler, der Pfarrer von Klagenfurt-Welzenegg und Asylwerberseelsorger im SONNTAG-Interview über die gut vorbereitete Taufe von Ausländern, dumpfe Ausländerfeindlichkeit - auch in der Kirche - und die Bereicherung unserer Gemeinden durch Flüchtlinge (© Foto: Pfarre Herz-Jesu-Welzenegg Klagenfurt)
Peter Deibler, der Pfarrer von Klagenfurt-Welzenegg und Asylwerberseelsorger im SONNTAG-Interview über die gut vorbereitete Taufe von Ausländern, dumpfe Ausländerfeindlichkeit - auch in der Kirche - und die Bereicherung unserer Gemeinden durch Flüchtlinge (© Foto: Pfarre Herz-Jesu-Welzenegg Klagenfurt)
 (© Foto: Pfarre Welzenegg/Deibler)
(© Foto: Pfarre Welzenegg/Deibler)

Warum wollen Asylwerber getauft werden?
Deibler: Man kann generell sagen, dass das Christentum bei vielen Asylwerbern einfach einen guten Ruf hat. Im Iran wird die schiitische Religion häufig als etwas Beengendes und Lebensfremdes wahrgenommen. Dagegen wird das Christentum mit Freiheit und Frieden in Verbindung gebracht. Aber auch in vielen afrikanischen Ländern hat die christliche Kirche einen guten Ruf. Andere Menschen lernen auf ihrem Fluchtweg oder in ihrer neuen Heimat Christen kennen und schätzen. Für sie ist der Taufwunsch oft auch ein Zeichen von Dankbarkeit und Neubeginn.

Wie bereiten sich Asylwerber auf die Taufe vor?
Deibler: Die Taufvorbereitung dauert grundsätzlich ein Jahr. Die Hauptlinien der Vorbereitung sind das Glaubensbekenntnis sowie das Evangelium des jeweiligen Kirchenjahres – nun also das Markusevangelium, sowie das Gebet. Die Bewerber kommen jeden Sonntag zur Messe und verfolgen die Sonntagsperikopen, die sie im Voraus in ihrer Landessprache lesen und danach gemeinsam besprechen. Später werden die Sakramente zum Thema, die Kirchenverfassung, die Heiligenverehrung und andere Fragen des christlichen Lebens. Zuweilen besuchen die Taufwerber andere Pfarren, bestimmte bedeutsame Kirchen und andere Veranstaltungen.

Ist die Erwachsenentaufe Sache des Pfarrers, des Bischofs oder der Pfarrgemeinde?
Deibler: Der Vorsteher der Diözese ist der Bischof. Er hat das Vorrecht für Taufe, Eucharistie und Firmung, besonders bei Erwachsenen. Deshalb bietet der Pfarrer dem Bischof die Erwachsenentaufe an. In der Regel wird aber der Ortspfarrer mit der Vorbereitung, der Taufe und Firmung der Kandidaten betraut, die zugleich auch zum ersten Mal zur Kommunion gehen.
Andererseits ist die Kirche, die die Kandidaten kennenlernen, ja eine Pfarrkirche und hat das Gesicht einer konkreten Gemeinde. In kürzester Zeit sind sie vertraut mit vielen Menschen und arbeiten gerne an vielen kirchlichen Veranstaltungen mit. So ist auch die Gemeinde sehr an ihrer Taufvorbereitung beteiligt. Schließlich brauchen sie auch Paten, die ihnen ein Glaubensvorbild und Begleiter auf dem Weg zu Christus und in ihre neue Heimat sind.

Wie sind Sie zu Ihrer Aufgabe als Asylwerberseelsorger gekommen?
Deibler: Zuerst habe ich viele Asylwerber im Polizeianhaltezentrum kennengelernt, das ich regelmäßig besuchte. Später wurden die Menschen, die ohne Pass über die Grenze kamen, nicht mehr ins Gefängnis, sondern in Flüchtlingsheime gebracht, wo sie viel einfacher besucht werden können. Ich finde mit diesen Menschen leicht Kontakt, weil ich viele ihrer Herkunftsländer selbst bereist habe. Sehr oft bin ich dort gastfreundlich aufgenommen worden. Ich kenne aber auch die Erfahrung, als Fremder angestarrt oder offen benachteiligt zu werden. Deshalb fühle ich mich als Österreicher zu Gastfreundschaft verpflichtet.

Welche Sorgen hat ein Asylwerberseelsorger?
Deibler: Ich habe viele Asylwerber zu ihrer Einvernahme vor der Asylbehörde begleitet. Dort werden sie akribisch befragt. Dabei treten die staatlichen Behörden so auf wie in vergangenen Jahrhunderten die Inquisition. Immer öfter kommt es vor, dass die Bescheide den Fluchtgründen gar nicht Rechnung tragen und von vornherein negativ sind. Ohne Begleitung würden diese Menschen bald aufgeben. Sorgen macht mir auch eine dumpfe Ausländerfeindlichkeit, die trotz der aufopfernden und offenen Begegnung so vieler Einheimischer und Zuwanderer noch immer besteht.

Welche Erfolge, welche Niederlagen gab es in den letzten Jahren?
Deibler: Auf lange Sicht haben bisher so gut wie alle Neugetauften auch einen Aufenthaltstitel bekommen. Etliche haben bereits Arbeit und können sich selbst versorgen, viele sprechen gut Deutsch und haben sich gut eingelebt. Leider gibt es auch immer wieder falsche Entscheidungen von Asylwerbern, sei es bei ihrer Argumentation vor den Behörden, sei es bei ihrer Ausbildung oder ihrem Wohnort. Oft vertrauen sie auch den falschen Leuten, von denen sie aber dann keine Unterstützung bekommen. Leider sind auch viele von ihnen entmutigt, übersensibel oder depressiv. Enttäuschend ist aber auch, dass es in der Kirche selbst Widerstand gibt gegen diese Menschen, die oft nichts anderes mehr haben als ihr Vertrauen in Gott. Sehr stolz bin ich aber auf meine Mitarbeiterinnen, die viel dazugelernt haben, denn wir begleiten die Asylwerber gemeinsam.

Ist die Asylwerberpastoral ein fixer Bestandteil kirchlicher Arbeit bzw. soll sie es sein?
Deibler: Nicht in dem Sinn, dass Werbung für die Taufe gemacht würde. Die Taufbewerber sind immer von sich aus auf mich zugekommen und haben um die Taufe gebeten. Aber natürlich in dem Sinn, dass Menschen auf der Flucht zu den Ärmsten gehören und unsere christliche Sorge verdienen. Davon spricht die Heilige Schrift, auch Papst Franziskus bei jeder Gelegenheit. Mit Taufbewerbern aus anderen Ländern kann man auf den eigenen Glauben schauen und ihn neu entdecken. Besonders aber kann man von ihnen beten lernen. Außerdem bereichern sie unsere Gemeinde, gehören sie doch zu den treuesten und hilfsbereitesten Mitarbeitern. Oft denke ich, dass unsere Gemeinde durch sie genauso bereichert ist wie sie durch uns. In Zeiten von Kirchenaustritten, Geburtenrückgang, Priestermangel und Rückzug ins Private ist es doch als besonderes Gottesgeschenk zu betrachten, wenn Menschen so weite Wege auf sich nehmen, um bei uns Christen zu werden.