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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Es gibt keine Alternative zum Dialog

Islam-Experte Karl Prenner im "Sonntag"-Gespräch

Noch am selben Tag verurteilte Papst Franziskus den Terroranschlag in Paris. Diese tödliche Gewalt sei „abscheulich, welche Motive sie auch immer gehabt haben mag“, so der Papst. Über mögliche Motive sprach der „Sonntag“ mit dem Grazer Religionswissenschafter Karl Prenner.

Islam-Experte Karl Prenner über den aufkommenden Islamismus, seine Ursachen und warum es zum Dialog der Kulturen einfach keine Alternative gibt. (© Foto: Karikatur: Jesner)
Islam-Experte Karl Prenner über den aufkommenden Islamismus, seine Ursachen und warum es zum Dialog der Kulturen einfach keine Alternative gibt. (© Foto: Karikatur: Jesner)
Der Grazer Theologe Karl Prenner (© Foto: kk)
Der Grazer Theologe Karl Prenner (© Foto: kk)

Blickt man auf den aufkeimenden Terror, der aus islamischen Ländern kommt oder sich auf den Islam als Religion bezieht, müsse man immer auch die wirtschaftliche und politische Situation betrachten. Dies betont der Grazer Religionswissenschafter und Islam-Experte Karl Prenner im Gespräch mit dem „Sonntag“. So weist er auf die Lage in den arabischen Ländern selbst hin: „Die Revolution von 2011 kann man getrost als gescheitert betrachten. Die alten Eliten haben sich weitgehend wieder etabliert und die wirtschaftliche Lage ist dramatisch schlechter geworden.“ Im Irak oder in Afghanistan hätten die Interventionen des Westens die Situation auch nicht verbessert.
Dies führe, so Prenner, zu Solidarisierungseffekten in Europa: „Die jungen Muslime, Kinder der Einwanderergeneration, fühlen sich solidarisch mit diesen Ländern. Gleichzeitig gehören aber auch sie zu den Verlierern, weil sie als erste von der schlechten wirtschaftlichen Lage etwa in Frankreich betroffen sind.“ Menschen ohne Zukunft hätten nichts zu verlieren. Prenner: „Sie sind leicht empfänglich für einfache, klare Botschaften und Extremismus.“
Hinter all dem stünde einerseits eine verkürzte Sichtweise des Koran, der sich ja auch auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zu Zeiten des Propheten bezieht. Andererseits aber auch klare Machtinteressen und diffuse Verfolgungsängste. Im Islam sei die Vorstellung weit verbreitet, die ganze Welt habe sich gegen diese Religion und ihre Anhänger verschworen. „Mit ihren Attentaten soll die Angst vor dem Islam und dessen Ablehnung sogar noch geschürt werden“, ist Prenner überzeugt. Dadurch fühlt man sich in seinen Verfolgungsängsten wiederum bestätigt.
Wie sollte Europa nun reagieren? Prenner warnt davor, sich von den Terroristen „ins Boxhorn jagen zu lassen“: „Diese Gruppierungen wollen erreichen, dass Europa intoleranter wird und damit die Muslime in ihr radikales Lager bringen.“ Ein weiteres Ziel sei es aber auch, westliche Grundwerte zu erschüttern. Im Falle des französischen Magazins geht es um Medienfreiheit.
Dass die Moslems auf Karikaturen gegen den Propheten Mohammed gar so aggressiv reagieren, führt Prenner auf historische Wurzeln zurück. Der Islam sei bis zum Beginn der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert eigentlich eine viel offenere Religion gewesen. Es gab sogar eine Tradition einer kritischer, ja ironischen und karikaturhaften Auseinandersetzung mit dem Propheten und seinen Lehren. Im Kampf gegen den Kolonialismus sei diese Tradition aber gänzlich abgekommen. Damals habe sich auch erst die Strömung des politischen Islam entwickelt: „Die Religion wurde radikaler ausgelegt und als klares Gegenprogramm gegen die westlichen Kolonialmächte eingesetzt“, so Prenner. Aus dieser Zeit würden auch noch Minderwertigkeitskomplexe herrühren, die vielfach Grund für Hasspredigten oder Terroranschläge wären.
Heute kommt noch dazu, dass viele Jugendliche in Westeuropa kaum eine Chance auf eine gute Ausbildung oder einen Job hätten. Da-raus rekrutieren sich dann Kämpfer für den Islamischen Staat oder andere Terrorgruppierungen. Die häufig ausbrechenden „Revolutionen der Vorstädte“ in Frankreich wären politisch unterschätzt worden, befürchtet Prenner.
Aus christlicher Sicht gäbe es dennoch keinen anderen Weg als den Dialog. Auch wenn dieser mangels konkreter Ansprechpartner auf islamischer Seite schwierig sei. Aber: „Die große Masse der europäischen Moslems schaut mit Abscheu nach Frankreich oder zu den Gräueltaten des Islamischen Staates“, betont der Religionswissenschafter. Diesen müsse man nun den Rücken stärken. „Eine generelle Verurteilung des Islam und Attacken gegen Moslems würden nur den Radikalen weiteren Zulauf bringen. In diese Falle dürfen wir einfach nicht tappen. Dann hätten die Terroristen auf allen Linien gesiegt“, warnt Prenner.
Für Österreich selbst bewertet Prenner das Gefahrenpotenzial eines Anschlages als „eher unwahrscheinlich“. Man könne zwar nie vorhersagen, was in Einzelpersonen oder kleinen Gruppen vorgehe, aber generell wäre die Gefahr „sehr abstrakt“. Warum das so ist? „Es gibt auf staatlicher Ebene einen guten Dialog mit dem Islam. Er ist eine voll anerkannte Religionsgemeinschaft und das Klima ist generell gut.“