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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ein frohes, leichtes Fest mit viel Licht

Advent und Weihnachten in Schweden

Die Schwedin beschreibt , wie Weihnachten das Licht des Glaubens in die dunkle Zeit des Jahres bringt

Die Schwedin Ingrid Bauer beschreibt im SONNTAG-Interview wie Weihnachten das Licht des Glaubens in die dunkle Zeit des Jahres bringt. (© Foto: Rosa Turel; Claudia Gründer / wikicommons)
Die Schwedin Ingrid Bauer beschreibt im SONNTAG-Interview wie Weihnachten das Licht des Glaubens in die dunkle Zeit des Jahres bringt. (© Foto: Rosa Turel; Claudia Gründer / wikicommons)
Im Hintergrund: Lucia-Fest in einer schwedischen Kirche (© Foto: Rosa Turel; Claudia Gründer/Wikicommons)
Im Hintergrund: Lucia-Fest in einer schwedischen Kirche (© Foto: Rosa Turel; Claudia Gründer/Wikicommons)

Wo kommen Sie her?
Bauer: Ich bin als Kind österreichischer Eltern in Stockholm geboren und aufgewachsen, war vom Kindergarten bis zum Abitur an der Deutschen Schule und bin in der Deutschen Kirche konfirmiert worden. Als junge Erwachsene kam ich nach Österreich, habe hier Fuß gefasst und bin geblieben. Aber das Land, in dem man aufwächst, prägt einen natürlich besonders.

Was sind Ihre Erinnerungen an die Advent- und Weihnachtszeit in Schweden?
Bauer: Weihnachten ist für mich ein frohes, leichtes Fest, nicht so schwer, wie es mir hier in Österreich manchmal vorkommt. In der Adventzeit ist das Lucia-Fest schon ein Vorbote des Weihnachtsfestes. Es wird am 13. Dezember gefeiert. Früher, als noch der gregorianische Kalender galt, fiel das Lucia-Fest auf die Wintersonnenwende, weshalb die Lichtersymbolik eine besondere Bedeutung hat: Lucia mit ihrem Gefolge kommt zeitig in der Früh, und es ist etwas ganz Besonderes, wenn sie im Dunkeln mit ihren Kerzen erscheinen. Sie hat einen Kranz von brennenden Kerzen im Haar, ein langes, weißes Kleid mit roter Schärpe, hinter ihr gehen in Zweierreihen weißgekleidete junge Frauen mit Kerzen in der Hand. Ihnen folgen die Sternenknaben: Burschen mit spitzen Hüten, auch sie in weißen Gewändern, in der Hand einen Stab mit Stern. Den Schluss machen die Wichteln: Kleinkinder in rotem Gewand und einer Mütze auf dem Kopf. Schließlich stellen sich alle auf und singen. In ganz Schweden ist das ein großes Fest: Lucia und ihr Zug besuchen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime und andere öffentliche Gebäude. Im Kreise der Familie hat die Lucia ein Tablett in der Hand mit frisch gekochtem Kaffee, Glögg – der schwedische Glühwein –, Pfefferkuchen und den Lussekatter, ein süßes Hefegebäck mit Safran. Die Pfefferkuchen sind ähnlich wie Lebkuchen, nur dünn und hart, die Lussekatter schauen aus wie eine Acht, in deren Öffnungen jeweils eine Rosine steckt.

Waren auch Sie einmal die Lucia?
Bauer: Nein, da traditionell die älteste Tochter des Hauses die Lucia verkörpert. Als ich in der Deutschen Schule war, hatten wir oft neue Lehrer, die diesen Brauch noch nicht kannten. Wir Schüler sind dann gern in aller Früh mit dem ersten Bus bzw. der ersten Tunnelbahn – also U-Bahn – zu unserem Klassenlehrer gefahren und haben ihn überrascht, als er noch im Bett lag.

Wie feiert man in Schweden Weihnachten?
Bauer: Der Heilige Abend ist, wie in Österreich, kein Feiertag. Es kommt der Weihnachtsmann, nicht das Christkind. Den Weihnachtsmann, Jultomte, gibt es aber erst seit dem 19. Jahrhundert; vorher gab es die Tomtar, kleine graue Männchen mit roten Zipfelmützen, die den Bauern nachts beim Holzhacken und beim Aufräumen halfen. Zum Heiligen Abend gehört das Julbord, eine reich gedeckte Tafel mit erlesenen Speisen, vom Weihnachtsschinken mit Honig-Senf-Kruste, gespickt mit Nelken, bis zu Knäck – Konfekt mit Sirup, Mandeln und Obers. Im Besonderen gibt es Reisbrei mit Zimt, in welchem eine Mandel versteckt ist. Der Legende nach wird das Mädchen, das die Mandel bekommt, im nächsten Jahr heiraten. Dazu trinkt man Julöl,
ein Weihnachtsbier, und Julmust, eine alkoholfreie Limonade mit Malz- und Hopfenextrakt. Vielleicht kennen Sie den „Michel von Lönneberga“ von Astrid Lindgren: Eine der Geschichten erzählt, wie der kleine Michel die Menschen aus dem Armenhaus zur vorbereiteten Weihnachtstafel in sein Elternhaus einlädt, während die Eltern beim weihnachtlichen Kirchgang sind.

Also sozusagen ein Fest für alle Sinne?
Bauer: Ja, zur Weihnachtsdekoration gehören bei uns insbesondere weiße Hyazinthen, die zu Weihnachten blühen und das Haus mit ihrem speziellen Duft erfüllen. In den Fenstern stehen Weihnachtsleuchter, welche man auch sehr gut von außen sehen kann, da niemand wie in Österreich die Fensterläden schließt. Wenn Sie beispielsweise mit dem Bus durch Stockholm fahren, sehen Sie durch die offenen Fenster das erleuchtete Heim und Menschen, die am Herd stehen und kochen. Die Lichtertradition kommt sicher daher, dass es in Schweden so dunkel ist im Winter: In Stockholm wird es um halb zehn hell und um halb drei wieder dunkel, aber das Land erstreckt sich noch über 1000 km in den Norden hinauf, dort gibt es im Winter keine Stunde Licht. Man tanzt übrigens in Schweden am Heiligabend fröhlich um den Weihnachtsbaum. Das sind meine Kindheitserinnerungen an das Weihnachtsfest in Schweden.
Der feierliche Gottesdienst ist in Schweden nicht am Heiligabend, sondern am Christtag?
Bauer: Am Christtag gingen wir ganz früh zur Julotta, dem Weihnachtsgottesdienst, der immer mit dem Lied „Var hälsad sköna morgonstund – Sei gegrüßt, du schöne Morgenstunde“ begann. Früher begann er meist um vier Uhr in der Früh, heute eher um sechs Uhr oder später. Der Gottesdienst ist hauptsächlich geprägt von Musik – so werden viele Weihnachtslieder gesungen –, den Schriftlesungen und der Predigt. Wer gerne einmal eine Julotta mitfeiern möchte, kann dies in der Schwedischen Kirche in Wien tun.

Gibt es noch weitere Höhepunkte in der Weihnachtszeit?
Bauer: In Schweden rechnet man die Tage vom Christtag an. Am Trettondedag jul, dem 13. Tag nach Weihnachten, dem 6. Jänner, feiern wir Epiphanias, als Erinnerung der Offenbarung Jesu als Gottes Sohn durch seine Geburt, durch seine Taufe und schließlich durch sein erstes Wunder bei der Hochzeit zu Kana. Der Tjugondedag jul, der 20. Tag nach Weihnachten, der 13. Jänner, ist der St.-Knuts-Tag, an dem die Weihnachtszeit endet. An diesem Tag werden die Kerzen und der Schmuck vom Weihnachtsbaum entfernt und die von den Weihnachtstagen noch übrig gebliebenen Süßigkeiten zur Plünderung freigegeben: „julgransplundring“. Insbesondere für die Kinder kann das noch einmal ein festlicher Höhepunkt sein, wo man noch einmal um den Weihnachtsbaum herumtanzt. Anschließend werden die Bäume aus der Wohnung entfernt, manchmal auch direkt durch das Fenster.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

Ingrid Bauer, geboren und aufgewachsen in Stockholm/Schweden, übersiedelte mit Mitte 20 nach Österreich. Sie ist Mutter von zwei Teenagersöhnen und unterrichtete viele Jahre Schwedisch nebenberuflich in der Erwachsenenbildung.