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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Ein bildgewaltiger Auswanderer-Roman

Felix Kuchers neuer Roman "Kamnik" über einen Südkärntner in Argentinien

Felix Kucher im SONNTAG-Gespräch über seinen jüngsten Roman, in dem er seine Familiengeschichte - und die Geschichte der Kärntner Auswanderer der späten 20-er Jahre – in starken Bildern aufleben lässt.

Felix Kucher mit dem Titel seines Romans “Kamnik“ (© Foto: picus)
Felix Kucher mit dem Titel seines Romans “Kamnik“ (© Foto: picus)

Ihr neuer Roman „Kamnik“ ist ein Auswandererroman, der in der Zwischenkriegszeit seinen Ausgang nimmt. Der Kärntner Slowene Anton wandert in den 20er-Jahren nach Argentinien aus. Ein bewusster Bezug auf die aktuellen Flüchtlingsdebatten?
Kucher: Nein. Das Buch ist völlig unabhängig von den aktuellen Entwicklungen entstanden. Es ist vielmehr ein Kapitel meiner Familiengeschichte. Ich habe in meinem ersten Roman ein Flüchtlingsschicksal beschrieben. Das wollte ich nicht wiederholen. Auswandern ist natürlich ein zeitloses Thema und kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Das hat es immer schon gegeben. Gerade aus Europa gab es in der Zwischenkriegszeit eine enorme Auswanderungswelle aufgrund der Armut.

Sie sprechen von einem Kapitel Ihrer Familiengeschichte. Wie sind Sie darauf gestoßen?
Kucher: Im Besitz meiner Tante sind alte Briefe von einem ihrer Brüder aufgetaucht, der in den 20er-Jahren nach Argentinien ausgewandert ist. Das sind Zeitdokumente, die seine Ausreise schildern, seine großen Hoffnungen. Interessant ist, dass er zu Beginn noch glaubte, eines Tages als reicher Mann in die Heimat zurückzukehren. Das hat sich dann Schritt für Schritt aufgelöst. Mit dem Nationalsozialismus verschwindet diese Vorstellung, und er wird zum Argentinier.

Ist es auch eine Aufarbeitung der Geschichte der Kärntner Slowenen, von denen ja viele nach Argentinien ausgewandert sind?
Kucher: Wenn man von Argentinien und den slowenischen Auswanderern hört, so bezieht sich das zumeist auf die große Auswanderungswelle nach 1945. Das waren Slowenen, die vor den Kommunisten geflüchtet sind. Mehr als 40.000 haben 1945 am Viktringer Feld campiert. Etwa die Hälfte davon ist nach Argentinien ausgewandert. Die sogenannten „Altsiedler“ sind gar nicht so im Bewusstsein. Das sind jene, die in den 20er- und 30er-Jahren aus wirtschaftlichen Gründen auswanderten. Die wurden in Kärnten eher vergessen. Damals gab es ein eigenes Auswandererbüro am Heiligengeistplatz in Klagenfurt. Auswandern war also in Kärnten in der Zwischenkriegszeit aufgrund der Wirtschaftskrise für alle ein Thema – nicht nur für Kärntner Slowenen.

Wenn vom Verlassen der Heimat die Rede ist, vom Fuß-Fassen auf einem fremden Kontinent, spielt dann auch die Frage nach der Identität eine Rolle in Ihrem Roman?
Kucher: Ganz stark sogar. Anton, der Auswanderer, muss ja schon in der Heimat mit zwei Sprachen zurechtkommen. Dann kommt noch das Spanische dazu, das er begierig lernt. Er möchte die Vergangenheit hinter sich lassen. Das sieht man oft bei diesen „Altsiedlern“. Sie wollten mit ihrer Heimat nichts mehr zu tun haben. Währenddessen pflegen jene, die nach 1945 gekommen sind, noch ihre Kultur. Das ist eine ganz andere Generation.

Ein zweiter Handlungsstrang ist die Geschichte des Bruders von Anton, der im KZ umkommt. Wie weit ist auch das ein Teil der Familiengeschichte?
Kucher: Es gibt wirklich einen Onkel meines Vaters, der 1939 in Mauthausen zu Tode gekommen ist. Von ihm ist aber nur wenig bekannt, und so habe ich diese Geschichte völlig frei gestaltet.

Ist das Buch also auch ein Stück Erinnerungskultur im Gedenkjahr 1938-2018?
Kucher: Es ist mir wichtig zu zeigen, dass der Bruder als „Asozialer“ ins KZ kommt. Diese Opfer des Nationalsozialismus werden weitgehend ausgeblendet. Ins KZ kamen nicht nur Juden, Roma, Sinti etc., sondern auch Menschen, die man als „Asoziale“ bezeichnete, die sich in das System nicht einfügen wollten. Das war in den ersten Jahren ein relativ großer Anteil der KZ-Insassen. Dieser Bruder etwa weigerte sich, den Arbeitsdienst mitzumachen. Das genügte damals schon. Mit dem Gedenkjahr hat das aber eigentlich nichts zu tun.

Sie sind Theologe, unterrichten auch Religion. Wie weit spielt die Theologie in diesem Buch eine Rolle?
Kucher: Sicher nicht vorrangig. Es geht aber natürlich um allgemein menschliche Dinge, in denen Religion immer auch eine Rolle spielt. So geht es etwa um die Frage der Schuld. Wie weit werden Menschen schuldig – an sich selbst, an anderen? Inwieweit gibt es Sühne, Bereuen oder Verzeihung? Das sind natürlich schon Themen, die an die Trans-zendenz rühren.