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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

“Die Regierung hat ihr Pflichtenheft sehr gut abgearbeitet”

Kathrin Stainer-Hämmerle im "Sonntags"-Gespräch

Kathrin Stainer-Hämmerle im "Sonntags"-Gespräch

Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle im SONNTAG-Interview über das Ende des Proporzes, die Bilanz der Dreier-Koalition und die großen Herausforderungen der Politik für die kommenden Jahre in Kärnten (© Foto: Furgler)
Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle im SONNTAG-Interview über das Ende des Proporzes, die Bilanz der Dreier-Koalition und die großen Herausforderungen der Politik für die kommenden Jahre in Kärnten (© Foto: Furgler)
 (© Foto: Furgler)
(© Foto: Furgler)

Wir hatten nun fünf Jahre eine Dreier-Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen an der Regierung. Wie fällt Ihre Bilanz dieser Zeit aus?
Stainer-Hämmerle: Die Regierung hat ihr Pflichtenheft abgearbeitet. Das bestand einerseits aus der Aufarbeitung der Hypo-Alpe-Adria und andererseits aus der Verfassungsreform im Land. Beides war nicht einfach. Doch eignet sich beides nicht für eine Stimmungskampagne in der breiten Öffentlichkeit. Denn niemand will mehr vom Hypo-Skandal etwas hören. Und eine Verfassungsreform ist einfach ein sperriges Thema, das am Stammtisch zu keinen emotionalen Debatten führt. Die Regierung profitiert vor allem von der anziehenden Konjunktur, für die sie aber nichts kann. Die sinkende Arbeitslosigkeit hat schließlich mit der wirtschaftlichen Großwetterlage zu tun.

Die Koalition ist mit großen Hemmschuhen angetreten. Einmal die Hypo-Schulden, aber auch Themen wie Gesundheitsreform, Bildungsreform etc. Hat sich die Regierung auf diesen Ebenen bewährt?
Stainer-Hämmerle: Bei der Bildung wurde recht ambitioniert versucht, die Schulzentren anzugehen. Aber das ist natürlich auch schwierig. Denn alle sagen, es sei gut, wenn eingespart wird. Aber wenn es dann die eigene Schule betrifft, gibt es Widerstände. Das ist also nichts, wo man positive Punkte sammelt. Das gilt für alle Einsparungsmaßnahmen. Da haben sich auch die Konflikte innerhalb der Koalition gezeigt. Man darf nicht vergessen, dass eine Dreier-Koalition mit so unterschiedlichen Parteien und Werthaltungen schwierig und nicht konfliktfrei sein kann. Dafür hat sich die Regierung gut gehalten. Ursprünglich war diese Koalition ja für zwei Perioden angedacht – davon redet heute kein Mensch mehr.

Egal wie die Wahl ausgeht, eines wird auf jeden Fall neu sein: das Ende des Proporzes. Das heißt, wenn es keine absolute Mehrheit gibt, muss eine Koalition gebildet werden und die anderen Parteien sind dann nicht mehr in der Regierung vertreten. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Stainer-Hämmerle: Zunächst einmal wird das die Koalitionsverhandlungen spannend machen, weil ja niemand in Kärnten Erfahrungen damit hat. Aber grundsätzlich muss ich schon sagen: Alles hat seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil der Abschaffung des Proporzes ist sicher, dass es für die Bürger einfacher ist, zwischen Regierung und Opposition zu unterscheiden. Bei einer Proporzregierung hat man immer das Gefühl, da sitzen alle am Tisch und man weiß nicht, wer welche Leistungen erbracht hat. Aber gemeinsam am Tisch sitzen, heißt ja doch auch, Kompromisse zu schließen. Der Proporz zwingt also die Parteien, im Diskurs zu bleiben.  In Zukunft sehe ich den Nachteil, dass die Polarisierung steigt.

Sehen Sie die Konfliktlinien schon jetzt vor der Wahl?
Stainer-Hämmerle: Auf jeden Fall. Da wird einmal die Angst vor der SP-Alleinregierung geschürt. Auf der anderen Seite die Gefahr des rechten Blocks von FP/VP an die Wand gemalt. Alle Seiten operieren mit Feindbildern. Diese werden in Folge sicher stärker zutage treten. Opposition bedeutet weniger Einfluss, aber auch pointiertere Politik. Jetzt ist Kärnten ohnehin schon ein Bundesland, das stärker gespalten ist als alle anderen. Da könnten noch tiefere Gräben entstehen.

Das Ziel, eine neue politische Kultur in Kärnten zu installieren, ist noch nicht so richtig gelungen …
Stainer-Hämmerle: In gewisser Weise kann man schon eine neue politische Kultur beobachten. Ich denke doch, dass etwa Korruption keine so große Rolle mehr spielt. Peter Kaiser hat auch versucht, über die Parteigrenzen hinaus Verbindungen zu knüpfen. Deshalb hat er neben Rot-Grün noch die ÖVP ins Boot geholt. Das hat aber mehr mit der Persönlichkeit des Landeshauptmannes zu tun. Er hat ja auch im Wahlkampf auf persönliche An- und Untergriffe verzichtet und formuliert ganz anders als seine Vorgänger.

Der Wahlkampf war bis zuletzt nicht wirklich spannend. Wo sehen Sie die zentralen Herausforderungen, mit denen sich die künftige Regierung zu beschäftigen hat?
Stainer-Hämmerle: Das mit dem unspannenden Wahlkampf sehe ich nicht so. Er wurde aber sehr fachlich-sachlich geführt. An den großen Brocken hat sich in den vergangenen Jahren nicht wirklich etwas geändert. Da ist einmal die Abwanderung. Das hat zu tun mit Ausbildung und Arbeitsplätzen. Dazu kommt das Thema Pflege, das in Kärnten aufgrund des hohen Altersdurchschnitts eine besonders große Herausforderung ist. Auf der anderen Seite steht das Budget. Bei der Einnahme haben Bundesländer ja nicht viel mitzureden. Aber bei den Ausgaben, sprich Förderungen, gibt es Spielraum. Da sieht man schon deutlich unterschiedliche Positionen. Die Freiheitlichen wollen wieder mehr direkte Förderungen wie früher. Die ÖVP will im Gesundheits- und Sozialsektor einsparen.

Sie kommen gerade aus Tirol, wo Sie die Wahl hautnah mitbekommen haben. Hat die Tiroler Wahl in irgendeiner Weise einen Einfluss auf Kärnten?
Stainer-Hämmerle: Die Tiroler Wahlen können den Grünen, die dort ein relativ gutes zweistelliges Ergebnis erzielten, schon ein bisschen Mut machen. Sie können jetzt mit mehr Selbstbewusstsein auf die Straße gehen und an sich glauben. Sonst glaube ich nicht an einen großen Einfluss.

Wie steht es mit dem Einfluss der Bundespolitik? In Kärnten sieht man doch auffallend viele Regierungsmitglieder im Vorfeld der Landtagswahl.
Stainer-Hämmerle: Man hat in Tirol gesehen, dass die SPÖ teilweise als Signal gegen die Bundesregierung gewählt wurde. Wobei die ÖVP durch den Kurz-Effekt sicher Rückenwind hat. Bei den Freiheitlichen ist es jetzt schon etwas schwieriger geworden. Aber trotz der Burschenschafter-Debatte haben sie durch die Regierungsbeteiligung eine andere Energie und ein größeres Selbstbewusstsein.

Wird sich der Bund in die Koalitionsverhandlungen einmischen?
Stainer-Hämmerle: Bisher ist das noch nie passiert. Meistens haben die Landesparteien ihre Koalitionen eigenständig gebildet. Denken Sie daran, dass zur Zeit der SP-VP-Koalition auf Bundesebene auch schon Schwarz-Grüne oder Rot-Blaue Koalitionen in den Ländern geschlossen wurden. Früher hat es das also nicht gegeben, und ich glaube auch nicht, dass dies jetzt eine Rolle spielen wird.

Trauen Sie sich schon heute eine Koalitions-Prognose für Kärnten zu? Oder ist alles noch sehr offen?
Stainer-Hämmerle: Entscheidend ist die Frage, wer es in den Landtag schafft. Wenn es nur drei Parteien sind, ist sogar eine absolute Mehrheit für die SPÖ denkbar. Genauso wäre eine VP-FP-Regierung möglich. Und wenn es eine der kleinen Parteien schafft, dann wird diese das Zünglein an der Waage sein und davon profitieren. Ich glaube aber, Peter Kaiser ist ein politischer Profi, der sich alle Optionen offen lässt. Fazit: Alles ist möglich.

Interview: Gerald Heschl

 

Zur Person:

MMag. Dr. Kathrin Stainer-Hämmerle, geb. 1969 in Hohenems. Politik- und Rechtswissenschafterin an den Universitäten Innsbruck und Klagenfurt, seit 2009 Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten. Lehraufträge u. a. an der Universität Klagenfurt und der Pädagogischen Hochschule Kärnten, zuvor Steuerung des Master-Lehrgangs Politische Bildung in Kooperation mit der Donau-Universität Krems, Mitglied des Leitungsteams des ULG Politische Bildung/MSc-Programmes. Studien und Publikationen in den Bereichen Politische Bildung, Wahlrecht, Partizipations- und Demokratieforschung. Autorin zahlreicher Kommentare und Artikel.