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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Die Kirche hat noch gewaltige Marktanteile

Marktforscher Werner Beutelmeyer über die Religiosität der Österreicher

Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer Market-Instituts, veröffentlichte kürzlich eine Studie über die Religiosität der Österreicher und ihre kirchliche Zugehörigkeit. Einige Ergebnisse stehen im Zentrum des Gesprächs.

Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer Market-Insitutes, analysierte die Religiosität und Kirchennähe der Österreicher. Sein Befund ist ernüchternd. Er enthält aber auch Ansätze für die Kirche, um dem Trend gegenzusteuern. (© Foto: bildcollage: haab)
Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer Market-Insitutes, analysierte die Religiosität und Kirchennähe der Österreicher. Sein Befund ist ernüchternd. Er enthält aber auch Ansätze für die Kirche, um dem Trend gegenzusteuern. (© Foto: bildcollage: haab)
Werner Beutelmeyer analysierte die Religiosität und Kirchenbindung der Österreicher (© Foto: market)
Werner Beutelmeyer analysierte die Religiosität und Kirchenbindung der Österreicher (© Foto: market)

Sie haben im Auftrag des „Standard“ eine Umfrage zur Religiosität in Österreich durchgeführt. Welche Rolle spielt die Religion im Leben von Herrn und Frau Österreicher?
Beutelmeyer: Sie spielt durchaus noch eine große Rolle. Vor allem, wenn man auf die Werthaltung schaut. Die Werte sind ja der Klebstoff unserer Gesellschaft. Insofern spielt die Religion eine Rolle, weil gewisse Lebensregeln, Werte und Verbindlichkeiten transportiert werden. Es gibt aber einen ganz starken Unterschied zwischen Stadt und Land. Die moderne Gesellschaft, der urbane, junge, gebildete Österreicher zeigt weniger Bindung und Zugang zu christlich-religiösen Werten. Der ist eher ein freiheitsliebender „Ichling“, dem es darum geht, dass er tun und lassen kann, was er will.

Und wie stehen die Österreicher zur Kirche?
Beutelmeyer: Wir haben das Wissen über Religionen abgefragt. Leidglich 43 Prozent sagen, dass sie sich in der katholischen Kirche gut auskennen. In Wien fühlen sich nur noch 40 Prozent der Kirche zugehörig. Da sieht man die Veränderung in Richtung Minderheit.

Woran liegt das?
Beutelmeyer: An einem massiven Vertrauensverlust. Wir haben gefragt, auf wen sich die Leute verlassen, und dann, wem man die Lösung anstehender Probleme zutraut. Bei der Verlässlichkeit liegt die katholische Kirche bei lediglich 20 Prozent. Das ist sogar nur die Hälfte der Katholiken. Die Lösung anstehender Probleme trauen der Kirche noch weniger zu, nämlich nur 14 Prozent.  Interessant ist, dass diese Werte beim Papst ganz anders aussehen. Er liegt meilenweit über denen der Kirche. 57 Prozent sagen, er sei absolut verlässlich. Und 42 Prozent trauen ihm Lösungskompetenz zu. Das sind absolute Spitzenwerte.

Wer soll aber die christlichen Werte vermitteln, wenn nicht die Kirche?
Beutelmeyer: Institutionen spielen bei der Vermittlung von Werten generell keine Rolle, sondern die Familie und Vorbilder. Aber bei beidem befinden wir uns in der Phase einer tiefgreifenden Veränderung. Wir erleben eine Neudefinition der Familie. Wir haben Kleinstfamilien und dann Patchwork-Familien. Und was die Vorbilder betrifft, so haben wir zwar einen Promi- und Popkult, aber echte Vorbilder in moralischer und menschlicher Hinsicht lassen ziemlich nach.

Glauben die Österreicher an Gott?
Beutelmeyer: Auf jeden Fall hat Gott bei den Österreichern eine hohe Bedeutung. Wir haben gefragt, was die Leute vom Glaubensbekenntnis noch glauben. Da steht an erster Stelle, dass Jesus gekreuzigt wurde, gestorben ist und begraben wurde. Dann kommt der allmächtige Gott und dass einem die Sünden vergeben werden können.

Letzteres ist interessant. Man hat doch den Eindruck – wenn man etwa an die leeren Beichtstühle denkt – dass der Begriff „Sünde“ im Leben der Österreicher keine Rolle mehr spielt. Täuscht das?
Beutelmeyer: Ich glaube schon. Die Zehn Gebote spielen im Leben der Menschen eine größere Rolle, als man mitunter meinen möchte. Sündenvergebung ist daher ein Thema. Allerdings nicht mehr wie früher, dass man den Menschen in erster Linie als sündhaftes Wesen betrachtet. Es geht viel stärker um die Barmherzigkeit.

Sie haben das Glaubensbekenntnis abgefragt. Da heißt es ja auch: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche ...“
Beutelmeyer: Das glaubt eigentlich kaum jemand. Bei allen Sätzen des Glaubensbekenntnissses hat dieser den niedrigsten Wert erreicht. Selbst jene, die sich als wirklich katholisch bezeichnen, sprechen der Kirche diese Heiligmäßigkeit ab. Zumeist mit Hinweis auf ihre Geschichte, aber auch aktuelle Fehler und Skandale.

Sie meinen die Missbrauchsskandale?
Beutelmeyer: Natürlich spielen die noch eine große Rolle. Die Spitze ist aufgearbeitet, aber insgesamt klingt das Thema noch nach, wenn es um Vertrauen und Glaubwürdigkeit geht. Dazu kommt die veröffentlichte Meinung. Was sich in den Medien etwa rund um die Missbrauchsfälle abgespielt hat, das lastet alles schwer. Auch die umstrittenen Bischofsernennungen in den 80er und 90er Jahren haben das Vertrauen schwer erschüttert. Das alles hat Auswirkungen bis heute.

Wo bekommt die Kirche gute Werte?
Beutelmeyer: Das Engagement für Flüchtlinge und Arme wird hoch geschätzt.  

Sie haben schon viele Umfragen zu diesen Themen durchgeführt. Lässt sich daraus eine Tendenz ableiten?
Beutelmeyer: Die Entwicklung ist sowohl bei der Frage der Religiosität, noch stärker aber bei der kirchlichen Zugehörigkeit eindeutig rückläufig. Wenn wir davon ausgehen, dass österreichweit der Anteil der Katholiken bei fast 60 Prozent liegt, sich aber nur 40 Prozent dazu bekennen, dann ist ein weiterer Rückgang vorprogrammiert. Sie müssen bedenken, dass der automatische Kircheneintritt zurückgeht. Gerade im städtischen Bereich lassen junge Eltern ihre Kinder nicht mehr taufen. Somit verschlechtert sich der Zugang zur Kirche weiter. Das gilt übrigens nicht nur für die Katholiken, sondern in gleichem Ausmaß für die evangelische Kirche.

Sehen Sie aus den Umfrageergebnissen Möglichkeiten, dem gegenzusteuern?
Beutelmeyer: Ich fürchte, dass das schwierig ist.Wenn Sie sich aber ansehen, wie hervorragend der Papst bewertet wird, dann zeigt sich, dass man in erster Linie mit Persönlichkeiten und mit dem persönlichen Zeugnis gegensteuern könnte.  

Wäre die Kirche eine Firma, was würden Sie ihr raten?
Beutelmeyer: Wenn man den Firmenvergleich anstellen will, so muss man schon sagen, dass die katholische Kirche noch immer gewaltige Marktanteile hält. Viele Menschen sind sich gar nicht klar darüber, wie sehr sie im positiven Sinne im christlichen Wertekanon stehen, dass sich die Kirche prägend auf ihr Leben auswirkt. Und viele Leistungen der Kirche sind zu wenig ersichtlich. Man muss aber auch sagen, dass es der Kirche leider immer noch gelingt, unglaublich negative Schlagzeilen zu produzieren. Entscheidend ist, wie die Kirche ihre Botschaft lebt und verbreitet.