Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Das Priesterseminar ist ein Ermöglichungsort

Regens Schreiber und Subregens Pirker im SONNTAG-Gespräch

Regens Thorsten Schreiber und Subregens Richard Pirker vom Kärntner Priesterseminar in Graz über die Herausforderungen moderner Priesterausbildung, Berufung und die Öffnung des Seminars

Regens Thorsten Schreiber (re.) und Subregens Richard Pirker (li.) über das Kärntner Priesterseminar in Graz, die Herausforderungen moderner Priesterausbildung, Berufung und die Öffnung des Seminars (© Foto: heschl)
Regens Thorsten Schreiber (re.) und Subregens Richard Pirker (li.) über das Kärntner Priesterseminar in Graz, die Herausforderungen moderner Priesterausbildung, Berufung und die Öffnung des Seminars (© Foto: heschl)
Richard Pirker und Thorsten Schreiber leiten das Kärntner Priesterseminar in Graz (© Foto: Heschl)
Richard Pirker und Thorsten Schreiber leiten das Kärntner Priesterseminar in Graz (© Foto: Heschl)

Sie leiten seit 1. September 2016 gemeinsam die Priesterseminare Kärntens und der Steiermark hier in Graz. Wie funktioniert das Miteinander?
Schreiber: Ich bin sehr dankbar, dass wir ein Team sind, in dem Entscheidungen gemeinsam getragen werden. Wir können uns gut austauschen.
Pirker: Es ist ein sehr förderndes Miteinander, das es erleichtert, unserem Auftrag nachzukommen.

Der da wäre?
Pirker: Wir wollen die Seminaristen so fördern, dass sie ihre Identität finden und ihren priesterlichen Identitätskern stärken. Natürlich geschieht dies in Abstimmung mit unserem Diözesanbischof, mit dem wir in ständigem Austausch sind.

Viele Priesterseminaristen kommen aus fremden Ländern. Ist das eine zusätzliche Herausforderung auch für dieses Haus?
Schreiber: Auf jeden Fall. In Spitzenzeiten hatten wir Mitbrüder aus 12 verschiedenen Nationen im Haus. Sie erhalten hier die sprachliche Befähigung, aber es braucht natürlich mehr. Sie müssen sich auf unsere Traditionen und Bräuche einlassen.
Pirker: Das ist ein gewaltiger Transformationsprozess. Das Seminar ist dafür ein Ermöglichungsort. Gerade für außereuropäische Studenten ist die große Herausforderung unsere säkulare Gesellschaft. Das betrifft auch Unterschiede beim Priesterbild. Gut geht die Integration meist dann, wenn sie in der Studienzeit geschieht. Da erleben wir ganz tolle Entwicklungen. Später wird es immer schwieriger.

Die Rolle des Priesters hat sich auch geändert. Heute kommen viele Aufgaben auf sie zu – vor allem, wenn sie mehrere Pfarren zu betreuen haben. In diese Richtung braucht es wohl auch eine neue Vorbereitung?
Schreiber: Für uns stellt sich immer wieder neu die Frage, für welche pastoralen Herausforderungen wir die angehenden Priester vorbereiten. In der Steiermark gibt es die Pfarrverbände, wo man künftig in größeren Regionen in Teams arbeitet. Diese Teamarbeit mit unterschiedlichen Berufungen – nicht nur Priestern – muss gelernt werden. Auch in Kärnten sind die Mentalitäten, aber auch der „pastorale Boden“ regional unterschiedlich.
Pirker: Die traditionellen Priesterbilder sind zwar sehr schön, aber nicht hilfreich. Man kann schon wie Don Camillo gekleidet Seelsorge betreiben. Es ist aber sehr fraglich, ob man auf diese Weise die Menschen erreicht. Unser Anliegen ist, durch Selbsterkenntnis zur Selbstfindung und zu seinem christlichen Glaubenskern zu finden. Das geht nur, wenn sich derjenige, der auf dem Weg zum Priester ist, gut erkennt und halbwegs richtig wahr- und annimmt. Daher braucht jede Diözese einen Ort, wo diese Möglichkeit besteht. Fast im Sinne eines Biotops.

Wie offen muss ein Priesterseminar sein und wie viel Schutz muss es geben?
Pirker: Dieses Haus steht wie eine Burg in der Stadtkrone, und das ist gar kein schlechtes Modell. Es braucht Sicherheit, um sich selbst zu öffnen. Es braucht einen Rückzugsort.
Schreiber: Die Herausforderung ist, einen Weg zwischen Rückzug und möglichst großer Offenheit zu finden. Ich sage: maximale Privatsphäre bei größtmöglichem Raum nach außen hin.
Pirker: Wir wollen nicht in Richtung stilisiertes Priesterbild ausbilden, sondern auf eine authentische Christenwirklichkeit hin. So gesehen ist das Haus schon eine Art Trainingslager für Menschen, die sagen: Ich habe etwas zu verkündigen, trage etwas in mir, das es wert ist, in der Welt Gehör zu finden. Das muss ernst, aber mit großer Freude und vor allem authentisch vermittelt werden.

Es war im Vorgespräch die Rede von Auswahlkriterien für die Weihe. Können Sie das konkretisieren?
Schreiber: Natürlich gibt es Kriterien, die man erfüllen sollte. Zunächst die Frage nach der menschlichen Reife: Kann sich der Seminarist wirklich auf die Mitmenschen einlassen? Hat er also eine pastorale Kompetenz? Natürlich stellt sich auch die Frage nach der theologischen Kompetenz. Das heißt, ist er in der Lage, die Theologie, die man an der Universität lernt, auch in die pastorale Praxis umzusetzen? Insofern gibt es schon Auswahlkriterien. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die Seminaristen dort zu unterstützen, wo man noch Defizite sieht.

Bringt das auch eine größere Individualisierung?
Pirker: Das Zusammenspiel von Eignung und Neigung ist in der Priesterausbildung ein entscheidender Punkt. Es stimmt aber, dass die Ausbildung immer individueller wird, weil die Leute mit immer unterschiedlicheren Lebenserfahrungen und Hintergründen zu uns kommen. So entwickelt man für jeden eine Art Stufenplan. Wir sind also eine Art Förderungsinstitut für die innere Berufung. Ich bin überzeugt, dass sich die Diözesen dies auch leisten sollen, wenn die Verkündigung für sie einen Wert hat.

Im Seminar lebt man in Gemeinschaft, danach ist man in der Pfarre auf sich allein gestellt. Ist das ein Problem?
Pirker: Wir wollen schon darauf achten, dass wir in Kärnten unsere jungen Kapläne verstärkt begleiten, dass sie sich nicht von der Gemeinschaft weg als Einzelkämpfer erleben. Klar muss sein: Das Seminar ist kein Kloster. Das Ziel unserer Studenten ist, Priester zu werden. Mit der Persönlichkeit, die jeder mitbringt.

Wie sieht eigentlich die Nachwuchssituation aus? Wie kann man Berufungen fördern?
Schreiber: Es gibt schon mehrere Anfragen. Aber die Zeit der Entscheidung beginnt erst. Es tröpfelt daher.
Pirker: Was könnte man machen? Nach wie vor erscheint mir das Ansprechen ganz wichtig. Der Jesuanische Ansporn: Folge mir! Wichtig ist aber nicht nur, dass man sich mit dem Gedanken auseinandersetzt, sondern dass dann der nächste Schritt folgt.
Schreiber: Ich denke, es braucht ein regelmäßiges Ansprechen, das aber niemals aufdringlich werden darf. Wir bieten hier die Möglichkeit, dass man einige Tage oder sogar Wochen im Seminar mitlebt. Man wohnt hier, feiert die Liturgie mit und tauscht sich in Gesprächen aus. Das Mitleben ist biblisch gesprochen ein „Komm und sieh“. Ich selbst bin so ins Seminar gekommen. Dieser leichtere Eintritt hilft sicher, Hürden zu überwinden.