Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

“Das Leitbild ist ein wichtiges Zeichen”

Dagmar Staubmann im Gespräch mit Ingeborg Jakl u.a. über soziale Netzwerke im Dienste der Kirche

Ziel sollte es sein, an einer Gesellschaft mitzuwirken, die von Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz geprägt ist: Die Schwachen und Benachteiligten sind nicht die Lautesten

Dr. Dagmar Staubmann (© Foto: G. Russwurm-Biro)
Dr. Dagmar Staubmann (© Foto: G. Russwurm-Biro)

Frau Staubmann, wer Ihre Vita kennt, stutzt zunächst ein wenig: Aktiv im Bund sozialistischer Akademikerinnen ...
Staubmann: Mit 92,5 Prozent als Kärntner Vorsitzende wieder bestätigt ...

... und zutiefst verwurzelt in der katholischen Kirche, wo Sie engagiert mitleben und mitgestalten. Geht das konfliktfrei?
Staubmann: Kirche und parteipolitisches Engagement schließen sich doch nicht aus. Im Gegenteil, für meine persönlichen Grundsätze gibt es wichtige Identitäten. Solidarität, Gerechtigkeit, Toleranz – das sind gewissermaßen deckungsgleiche Werte, für die es sich immer lohnt, hier wie dort einzutreten. Und das kann mitunter ganz schön schwer sein.

Zum Beispiel?
Staubmann: Zum Beispiel haben Kirche und Politik das große Problem, dass sich immer mehr junge Menschen von ihnen abwenden. Sie finden hier keine Heimat mehr. Dabei ist die Suche nach Anhaltspunkten in ihrem Leben doch offenkundig. Sowohl die Kirche als auch die Politik müssen diese Erkenntnis als Chance und nicht als zeitgeistigen Jammeranlass begreifen.


Sie leben dies in Ihren Funktionen vor?
Staubmann: Zumindest spricht mir in der Politik niemand meinen ehrlichen Versuch ab. In der Politik ist es mein Ziel, an einer Gesellschaft mitzuwirken, die, wie ich vorhin schon sagte, von Solidarität, Gerechtigkeit und Toleranz geprägt ist. Ich trete für eine wirksame Finanzpolitik ein, deren erkennbares Prinzip die Verteilungsgerechtigkeit ist.

Der Finanzminister wird das vielleicht auch wollen.
Staubmann: Vorausgesetzt, er gewichtet die Zurufe der Interessensgruppen entsprechend. Die Schwachen und Benachteiligten in unserer Gesellschaft sind nicht die Lautesten. Deshalb brauchen sie eine hörbare Stimme. Und darin sehe ich auch meine Aufgabe.

Dafür ist es aber notwendig, die Sorgen und Nöte jener zu kennen.
Staubmann: Ja, natürlich. In den Gremien allein gibt es keinen Erkenntnisgewinn. Wenn ich mich dem Grundsatz verpflichtet fühle, mich der Sorgen und Probleme der Menschen anzunehmen, dann muss ich auch ihren Alltag kennen und an ihm teilnehmen. Das sind praktische Erfahrungswerte, auf denen erst die Argumentation aufbauen kann.

Es macht Ihnen also niemand ein X für ein U vor?
Staubmann: Nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin ein Mensch, der die Dinge beim Namen nennt. Sowohl in der Politik als auch in der Kirche. Kirche und Partei haben mich immer als konstruktive Kritikerin kennengelernt. Sagen wir es so: Ich provoziere nach Bedarf auch ganz gerne, indem ich anderen den Spiegel vorhalte.

Kritik allein bewirkt noch nicht viel.
Staubmann: Da haben Sie recht. Ich habe aber immer Pläne und Vorschläge parat, denn ich bringe mich gerne mit Lösungsansätzen in die Diskussionen ein. Nur so kann man aus einem Problem ein lösbares Problem machen. Deshalb gefällt mir auch das Leitbild der Kärntner Diözese sehr gut, wo es in der Kurzfassung heißt: „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein.“ Profilierter kann man dieses Ziel nicht beschreiben.

Die Frage ist, ob das auch außerhalb der Kirche so wahrgenommen wird?
Staubmann: Doch, doch, dafür haben schließlich auch Sie mit dem „Sonntag“ und ich in meinen Gremien für die Außenwirkung zu sorgen. Dieses Leitbild ist ein ganz wichtiges Zeichen nach außen. Ein Leitbild hat heute jede Firma. Aber das ist zu wenig, wenn sich nicht auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit identifizieren können. Und zwar alle, von ganz unten bis ganz nach oben, ohne Unterschied.

Und ohne Hierarchie?
Staubmann: Und ohne behindernde Hierarchie, selbstverständlich. Blicken wir nur einmal nach Japan, in die USA oder nach Skandinavien – überall ist partnerschaftliches Arbeiten angesagt. Gemeinsam, lautet die Devise. Da fallen mir viele Dinge ein, die sich in diesem Zusammenhang umsetzen ließen.

Welche zum Beispiel?
Staubmann: Ich denke nur einmal an die vorhandene, aber innerhalb der Kirche vielerorts leider ungenützte Infrastruktur wie Räume oder Personalressourcen. Ich sehe da große Chancen zum Beispiel für junge Leute, die auf der Suche nach einer Arbeit sind, entsprechende Anlaufstellen bereitzustellen. Gerade die Jugend erwartet sich Orientierung, wie sie an Ausbildungsplätze gelangen, einen sicheren Arbeitsplatz bekommen kann. Ich denke, da ist neben der Politik auch die Kirche gefragt – und sie sollte diese Nachfrage als ganz große Chance verstehen. Dazu braucht es freilich Mut und ehrlichen Willen.

Spricht da die Parteifunktionärin oder das Kirchenmitglied?
Staubmann: Was macht den Unterschied? Mir geht es darum, dass Ini-tiativen ins Leben gerufen werden, von wem auch immer. Die Politik hat ihre Aufgabe, ganz klar, aber auch die Kirche darf sich nicht abseits stellen, sondern muss „mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“. Es bringt der Kirche nichts, nur zu reden, langatmige Diskussionen zu führen und auf ihre Gläubigen zu warten. Ich verstehe kirchliche Gemeinschaft vielmehr als Auftrag, zu den Menschen zu gehen, dorthin, wo sie arbeiten und leben. Dann wird man sie für die Kirche und ihren gelebten Glauben gewinnen.

So betrachtet kann man froh sein, dass der Grundsatz des Leitbildes, den Menschen nahe zu sein, der Kirche und nicht einer Partei zugeschrieben wird, weil er ausbaufähig ist.
Staubmann: Dieses Leitbild würde wohl auch keiner Partei schaden. Den Menschen nahe sein! Gibt es etwas Schöneres, Besseres? Die Kirche hat den Vorzug, es mit und im Namen Jesu Christi zu tun. Die Parteien könnten es als ihren demokratischen Auftrag auf ihre Fahnen heften. Allerdings kann man feststellen, dass beide noch sehr häufig von den notwendigen Grundwerten, nämlich Toleranz und Nächstenliebe, entfernt sind.  

Zeichnet sich doch auch angesichts des sogenannten Turbokapitalismus, des Geldraffens und -verschwendens ein Wertewandel, vielleicht auch nur ein zaghafter, ab?
Staubmann: Meine Hoffnung und Zuversicht belebt vor allem Papst Franziskus. Sein erstes Amtsjahr war geradezu fulminant. Er kommt bei den Menschen so gut an, weil er ihnen eben ganz nahe ist. Er bindet die Menschen in seine Arbeit ein. Er ist bei und unter ihnen – mit Jesus Christus.

Und er nützt wie keiner vor ihm die neuesten Kommunikationsmittel.
Staubmann: Ja, auch das ist Kirche, lebendige Kirche. Ich poste auf Facebook zum Beispiel, dass ich zum Gottesdienst in die Kirche der Elisabethinen gehe. Und, was soll ich sagen: Meine Freunde schicken mir ein Like. Sie finden das gut. Einige konnte ich auf diese Weise schon davon überzeugen, mitzukommen.

Soziales Netzwerk im Dienste der Kirche.
Staubmann: Neu und anders. Und doch dient es ganz klar auch dem Leitbild, mit Jesus Christus den Menschen nahe sein!