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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Berufung heißt, erfahrene Liebe weiterzuschenken

Jeder Christ hat eine Berufung: ein Gespräch mit Bernhard Bürgler SJ, dem Provinzial der österreichischen Jesuiten

Der Jesuiten-Provinzial über die Weite von Berufung, was es zu ihrer Klärung braucht und woran es nicht fehlen darf

Der Jesuiten-Provinzial Bernhard Bürgler im SONNTAG-Interview über die Weite von Berufung, was es zu ihrer Klärung braucht und woran es nicht fehlen darf. (© Foto: Christian Bargehr / SONNTAG)
Der Jesuiten-Provinzial Bernhard Bürgler im SONNTAG-Interview über die Weite von Berufung, was es zu ihrer Klärung braucht und woran es nicht fehlen darf. (© Foto: Christian Bargehr / SONNTAG)
 (© Foto: Christian Bargehr SJ)
(© Foto: Christian Bargehr SJ)

Sie sind verantwortlich für das Team „Berufung“ der Jesuiten – was ist „Berufung“ heute?
Bürgler: Für uns Christen ist Berufung immer Berufung zur Liebe. Die Grundberufung ist: das Geliebt-Sein durch Gott zu erfahren und diese Liebe zu leben. Das schaut natürlich bei jedem Menschen anders aus, und möglicherweise gestaltet es sich zu verschiedenen Zeiten bzw. Lebensphasen nochmals verschieden. Wenn man dann von Berufungsfindung spricht, bedeutet das herauszufinden, was meine „Gestalt“ dieses Lebens der Liebe ist. Welche Form, diese Liebe zu leben, ist stimmig mit mir? Das ist dann die speziellere, meine persönliche Berufung.

Das heißt: Die eine Seite der Berufung ist, mir bewusst zu werden, von Gott geliebt zu sein. Und die andere Seite ist, wie ich selber mit meinen Eigenschaften, meinen Talenten usw. dem gerecht werde?
Bürgler: Es geht darum, mit meinem Leben in diesen Strom der Liebe einzusteigen und sie zu leben. Der Welt, den Menschen, der ganzen Schöpfung in meiner Gestalt zu dienen.

Vom Gedanken her ist das sehr schön; wie können wir das aber konkret verstehen?
Bürgler: Eine Hilfe, diese „Gestalt“ zu finden, ist z. B. der Beruf, eine andere die Lebensform.  Um beim Beruf zu bleiben: Wenn jemand spürt: Ich möchte Ärztin werden, bedeutet das eine konkrete Arbeit und viel Know-how, das dazu zu erwerben ist. Christlich gesehen ist es bedeutsam, was diese Frau macht, um ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen, um für Menschen da zu sein. Wenn sie das spürt, spürt sie in unserem Sinne ihren Ruf. Gleiches kann gelten für jemanden, der Rechtsanwalt oder Kindergärtner oder Lehrer wird. Die Frage ist, wie ich meinen Beruf sehe: mehr auf der Ebene, was ich eben tue und verdiene, oder auch als Ausdruck von etwas Tieferem, zu dem ich mich gerufen fühle, und was letztlich Ausdruck dieser Liebe ist. Das Gleiche gilt für geistliche Berufe.

Normalerweise wird bei Berufung zuerst oder auch ausschließlich an geistliche Berufe gedacht ...
Bürgler: Was mir wichtig ist: Oft wird Berufung auf geistliche Berufe, also Ordensfrauen und -männer und Priester, eingeschränkt. Berufung ist weiter, viel weiter. Ein junger Literat schickte einmal Texte an Rilke und fragte ihn um seine Meinung, ob er Schriftsteller werden sollte. Rilke antwortete: Wenn er das Gefühl habe, dass er das tun muss, soll er es tun. Auch das hat mit Berufung zu tun: Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas so ganz meines ist – nicht aus innerem Zwang, sondern aus Freiheit und innerem Drang. Letztlich ist Berufung immer Ausdruck einer Liebe, eines Lebens für die Menschen.

Wenn ein junger Mann zu Ihnen kommt, weil er einen Ruf vielleicht in Richtung Priester spürt – was können Sie ihm zur Klärung anbieten?
Bürgler: Das sind zwei verschiedene Fragen. Die erste Frage ist: Was bedeutet es, Priester zu sein? Und die andere: herauszufinden, ob jemand dazu berufen ist; aber Berufung ist immer auch ein Weg, sie entwickelt sich und braucht Entfaltung. Zum Ersten: Priester zu sein hat damit zu tun, Brücke und Verbindung zu sein zwischen Gott und den Menschen. Also Gott zu den Menschen und die Menschen zu Gott bringen. Diese Verbindung zu schaffen ist für mich etwas zutiefst Priesterliches. Das ist zwar auch etwas, was wir im Prinzip alle haben durch unser gemeinsames Priestertum, das in der Taufe grundgelegt wurde; aber es gibt auch das spezielle Priestertum, wenn jemand noch ausdrücklicher und umfassender dazu berufen ist.

Und wie klären Sie, ob dies der Weg einer konkreten Person ist?
Bürgler: Nach diesen Kriterien kann ich mit jemandem grundsätzlich abchecken, ob das seine Richtung ist. Ebenso gilt es herauszufinden, ob die menschlichen und die geistigen Voraussetzungen passen oder zumindest so sind, dass man darauf aufbauen kann. Entscheidend ist letztendlich: Wenn jemand die Sehnsucht in sich spürt, Jesus Christus nachzufolgen, gilt es gemeinsam zu klären, ob diese Sehnsucht tragfähig ist.

Provokant gefragt: Dass jemand gerne Messe feiert, ist kein hinreichendes Kriterium für seine Berufung?
Bürgler: Es ist keine Grundlage für eine Priesterberufung, aber vielleicht ein Ausdruck davon. Deshalb ist es wichtig, genau hinzuschauen und die Berufung wirklich zu klären. In Zeiten wie diesen, wo es wenige Berufungen gibt, ist die Versuchung groß, das eine oder andere Auge zuzudrücken und nicht so genau zu schauen – aber das ist fatal, denn man tut dieser Person nichts Gutes und der Kirche und den Menschen auch nicht.

Dem jungem Menschen, der dieses Interview liest und auf der Suche ist: Welche Anhaltspunkte können Sie ihm oder ihr mit auf den Weg geben?
Bürgler: Wenn jemand spürt: Ich möchte mit einem Partner, einer Partnerin zusammen durchs Leben gehen, Leben aufbauen, möglicherweise Kinder haben und so das Leben weitergeben: Das sind Hinweise für eine Berufung zu Ehe und Familie.
Priesterberufung dagegen hängt mit Gemeinde zusammen: in einer Gemeinde leben, für eine Gemeinde leben, Gemeinschaft leben, Menschen zu Gott bringen und Gott zu den Menschen.
Ordensleben beruht auf den drei Gelübden von Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Man wählt also eine bestimmte Form des Lebens und der Nachfolge, zu der man sich hingezogen oder von der man sich herausgefordert fühlt. „Weniger ist mehr“, schwingt hier mit.
Was das spezielle Charisma betrifft: Ordensberufung hat immer mit dem Leben in einer bestimmten Ordensgemeinschaft zu tun. Die meisten Orden haben einen ausgesprochenen Ordenszweck oder ein Ordensziel, für das sie sich einsetzen. Ich kann nachverfolgen, wie sie leben und was sie tun, was die Vision des Ordensgründers war. Wenn ich da spüre, dass das in mir etwas anklingen lässt, ist das auch ein wichtiges Kriterium.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Bürgler: Man spricht heute viel von Berufungspastoral, so als sei das ein spezielles Arbeitsfeld. Ich glaube, dass Berufungspastoral eine Dimension jedes pastoralen Handelns ist. Es geht immer darum, Menschen zu helfen, ihre eigene Berufung zu entdecken oder in ihr zu wachsen, damit sie Gestalt annimmt, fruchtbarer wird usw.
Natürlich gibt es Lebensphasen, in denen das Thema intensiver ist, gerade bei jungen Menschen und jungen Erwachsenen. Pastoral ist hier eine wesentliche Hilfe zur Entfaltung der eigenen Berufung. Ich finde da den Dreischritt sehr hilfreich: ermächtigt zum Leben, erwählt zum Glauben, berufen zum Dienst. Es ist wichtig, diese Schritte zu gehen: Leben, Glauben und dann herauszufinden: Was ist mein Dienst, welche Gestalt hat er?
Ein dritter Punkt, der mir wichtig ist: dass es in der Kirche genügend Menschen gibt, die ein Stück weit Vorbild und Modell für ein gelungenes Leben sind, christliche Berufung in all ihrer Vielfalt. Und dass es genügend Begleiterinnen und Begleiter gibt für Menschen, die auf der Suche sind nach der konkreten Gestalt ihrer Berufung, und die auch die Erfahrung und das Know-how haben, andere auf ihrer Suche zu begleiten.

Interview: Georg Haab

 

Zur Person:

P. Bernhard Bürgler SJ, geb. 1960 in Lienz, unterrichtete nach dem Zivildienst und dem Studium der Selbstständigen Religionspädagogik in Rankweil. 1991 trat er in den Jesuitenorden ein; Promotion und Ausbildung zum Psychoanalytiker. Nach der Priesterweihe 1997 Tätigkeit als Spiritual, Exerzitienbegleiter und Geistlicher Begleiter sowie als Psychotherapeut in freier Praxis. Auslandsaufenthalte in Asien und Australien. Seit 2014 ist Bürgler Provinzial der österreichischen Jesuitenprovinz.

 

Erxerzitienangebote zur Berufungsklärung:

  • 27.10.2017, 18.00 Uhr, bis 29.10.2017, 13.00 Uhr, mit Johanna Götsch FMA und Friedrich Prassl SJ; Schloss Wohlgemutsheim, Baumkirchen, Tirol.
    Kosten: 106,00 € (Unterkunft,  Verpflegung und Kursbeitrag); Anmeldung: friedrich.prassl@jesuiten.org
  • 10.11.2017, 18.00 Uhr, bis 12. 11. 2017, 13.00 Uhr, mit Johanna Schulenburg CJ, Christian Marte SJ und Josef Maureder SJ; Kardinal König Haus, Wien. Kosten: wie oben. Anmeldung: anmeldung@kardinal-koenig-haus.at

Weitere Informationen:
www.jesuiten.at oder www.berufung.jesuiten.at