Organisation

Internetredaktion der Diözese Gurk

Kulturelle Vielfalt als Chance sehen

Jürgen Pirker forderte bei KAVÖ-Tagung in Tainach, die Verbindung von Sprache und Nationalismus zu entkoppeln

Dr. Jürgen Pirker, Institut für Rechtswissenschaften der Uni Graz (© Foto: Pressestelle/Assam (Archivaufnahme))
Dr. Jürgen Pirker, Institut für Rechtswissenschaften der Uni Graz (© Foto: Pressestelle/Assam (Archivaufnahme))

(Kathpress.at) - Nach der 2011 erzielten Kärntner Volksgruppenregelung sei es nun an der Zeit, "die Verbindung von Sprache und Nationalismus zu entkoppeln" und den Wert der Mehrsprachigkeit nutzbar zu machen. Das sagte der Grazer Rechtswissenschaftler und Historiker Jürgen Pirker bei der Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes Österreichs (KAVÖ), die von 21. bis 25. Juli 2014 im Kärntner Bildungshaus Tainach/Tinje stattfindet. Unter dem Tagungstitel "Daham ist daham? Über Sprache, Identität und Beheimatung" sprach Pirker über "Mehrsprachigkeit als Herausforderung am Beispiel Kärntens und Südtirols".

Die positiven Entwicklungen nach dem lange andauernden Ortstafelstreit in Kärnten "stimmen hoffnungsfroh", so der Grazer Wissenschaftler. Als Vorteile von Mehrsprachigkeit wies er auf den Zugang zu verschiedenen Kulturtraditionen hin, die geistige Horizonterweiterung sei auch oft mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden, denn "interkulturelle Kompetenz" fördere Flexibilität in einer zunehmend globalisierten Welt. Volksgruppensprachen böten damit einen Startvorteil und stellten einen Schatz dar, so Pirker. Der Bestand an Kulturvielfalt müsse gesichert und die Sprachdidaktik positiv weiterentwickelt werden, meinte Pirker.

Freilich gebe es auch Assimilierungsdruck. Im Jahr 1910 betrug der Anteil der Kärntner Slowenen an der Gesamtbevölkerung des Landes 18,3 Prozent, 2001 nur noch 2,4 Prozent. Drei Faktoren nannte Pirker als assimilationsfördernd: Der lange praktizierte "gezielte Germanisierungsdruck" durch die Politik, mit der deutschen Sprache verknüpfter Status und Einkommen sowie kulturelle Prägungen durch die in den Medien, den Schulen und im sozialen Leben dominierende Mehrheitssprache. Pirker zitierte den österreichischen Diplomaten und Vorsitzenden des Rates der Kärntner Slowenen, Valentin Inzko, mit der Aussage: "Wenn der Volksgruppenschutz eine anständige Regelung vorsieht, bedeutet das für mich mehr Gerechtigkeit, mehr Anerkennung, mehr Gefühl, dass ich willkommen bin - und insgesamt bedeutet es für mich mehr Heimat."

Ängste und historisch bedingte Verletzungen gebe es sowohl bei der Mehrheit als auch bei der Minderheit, wies Pirker hin. Bei den Deutschsprachigen gebe es z.B. Furcht vor einer Teilung Kärntens, bei der slowenischen Bevölkerung vor dem allmählichen Verschwinden ihrer Volksgruppe und damit verbundenem Verlust von Rechten.

Vorbild Südtirol

In Südtirol funktioniere das Miteinander verschiedener Volksgruppen gut: Als Erfolgsfaktoren nannte Pirker die Eigenständigkeit des Landes mit Autonomiegesetzgebung und Steuereinhebung. Die drei Amtssprachen Deutsch, Italienisch und Ladinisch würden im Unterricht verwendet, es gebe "ethnischen Proporz" mit der Aufteilung von Ressourcen nach dem Bevölkerungsanteil und eine Geschlossenheit der jeweiligen Volksgruppe nach außen und sowie Differenzierung nach innen.

KAVÖ-Präsidentin Magda Krön begrüßte zu Beginn der insgesamt 100. Sommertagung des Akademikerverbandes (der auch alljährlich in Vorau Tagungen veranstaltet) neben Teilnehmern aus Österreich auch solche aus Deutschland, der Slowakei und der Ukraine. Zum Tagungsthema sagte Krön, Sprache sei zentraler Bestandteil der eigenen Identität. Dass es in den letzten Jahren gelang, in Kärnten wechselseitige Verständigung anzustoßen und "alte Verhärtungen aufzuweichen", stimme "hoffnungsfroh", schloss die Präsidentin.

1972 "am Rande des Bürgerkrieges"

Einen Rückblick auf wesentlich konfliktträchtigere Zeiten warf der Kärntner Historiker Hellwig Valentin: Er präsentierte im Rahmen der Tagung sein im Hermagoras Verlag erschienenes Buch "Am Rande des Bürgerkrieges. Der Kärntner Ortstafelkonflikt 1972 und der Sturz Hans Simas". Valentin erinnerte, dass das Kärntner Ortstafelgesetz vom 6. Juli 1972 vom Nationalrat mit den Stimmen der damals allein regierenden SPÖ "in Windeseile beschlossen" worden sei, ohne die Bevölkerung ausreichend psychologisch vorzubereiten: "Auf die emotionale Seite wurde wenig geachtet", es sei ein Alleingang des Kärntner Landeshauptmannes Hans Sima und von Bundeskanzler Bruno Kreisky gewesen, "der sich auf Sima verlassen hat".

Beiden gestand Valentin dabei gute Absichten zu: Kreisky sei ein gutes Verhältnis zu den Nachbarländern wichtig gewesen, auch Sima sei eine "Alpe-Adria-Politik" Herzensanliegen gewesen - wobei er mit seiner "rigorosen Form der Machtausübung" viele Kärntner verprellt habe.

Als im September 1972 mit der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln begonnen wurde, gab es bald Schmieraktionen. Die aufgeheizte Stimmung führte laut dem Historiker dazu, dass Sima und seine Frau bei einer SPÖ-Veranstaltung am 26. Oktober mit Eiern und Tomaten beworfen wurden. Bei den Gemeinderatswahlen 1973 verlor die SPÖ sechs Prozent der Stimmen, was zum Rücktritt Simas führte, berichtete Valentin. Die Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben der Kärntner Bevölkerung seien heute wesentlich besser als damals, resümierte der Historiker.