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Internetredaktion der Diözese Gurk

Große Offenheit im Austausch der Meinungen

Kurze (Zwischen-)Bilanz zur außerordentlichen Bischofssynode zum Themenfeld Familie von Familienseelsorger Pater Reinhold Ettel

Was hat die außerordentliche Bischofssynode zum Themenfeld Familie gebracht? - Diese Frage wird in diesen Tagen sehr oft gestellt – und je nach „Standort“ der Betrachter unterschiedlich, ja gegensätzlich kommentiert. Pater Reinhold Ettel SJ, Familienseelsorger in der Diözese Gurk, der für uns das Synodengeschehen genau beobachtet hat, zieht eine Zwischenbilanz.

 (© Foto: ctv-screen)
(© Foto: ctv-screen)

Am Samstag, dem 19. Oktober 2014, ging die Versammlung der Bischöfe und der teilnehmenden Gäste zu Ende. Zwei Tage vorher wurden die Kurzberichte von den 10 Arbeitsgruppen auf der Internetseite des Vatikans veröffentlicht.   

Sie berichten durchwegs von der offenen Atmosphäre, in der die Vielfalt von Meinungen und Erfahrungen offenkundig werden konnte. Teils zeigten sich Bischöfe über den Verlauf positiv gestimmt, teils wurden ernste Sorgen um die kirchliche Lehre zur Ehe, Sexualität und anderen Themenbereichen ausgesprochen. Die Berichte enthielten auch viele Anregungen, die in das Schlussdokument aufgenommen werden sollten.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigte sich zuversichtlich, dass die Bischöfe bei der Synode über Ehe und Familie sich auf ein Abschlussdokument verständigen können. "Ich gehe davon aus, dass wir uns in guter Weise geistlich zusammenraufen werden", sagte Kardinal Marx am Freitag in der letzten Synoden-Pressekonferenz im Vatikan.

 

Was kann als Ergebnis gesehen werden?

1. Eine große Offenheit im Austausch der Meinungen, wie sie in der Katholischen Kirche kaum praktiziert wird.

2. Papst Franziskus selbst ermutigte dazu, Indem er sich in die Diskussionen nicht eingeschaltete – aber aufmerksam zugehörte – ermöglichte er diese Atmosphäre der wechselseitigen Achtung. Eindeutig war in dieser Synode der Fingerabdruck von Papst Franziskus zu erkennen.

3. Diese Synode erlebte weltweit eine beachtliche Aufmerksamkeit. Schon die vorausgehende Umfrage zum Thema der Bischofssynode, zu deren Beantwortung erstmals auch die „Basis der Kirche“ eingeladen war, zeigte eine breite Anteilnahme - aber zugleich viele, auch sicher unerfüllbare Erwartungen. Jedensfalls es bewegt sich viel in der Kirche.

4. Die Themen und Probleme der Familien und der unterschiedlichen Familienformen, der Ehepaare, Frauen und Männer in verschiedenen Formen der Partnerschaft, die religiösen Situationen der Familien mit den Kindern usw. kamen neu ins Gespräch. Viele wollten sich wieder näher darüber informieren.

5. Die Erfahrungen und Probleme der Menschen heute mit Familie, Partnerschaft und Sexualität – wenn auch unterschiedlich in den Kontinenten und Kulturen – wurden von der Bischofsversammlung ernst genommen. Das zeigte bereits das „Arbeitspapier“ (Instrumentum laboris) mit den Ergebnissen der weltweiten Umfrage.

6. Die Kluft, die weithin zwischen den kirchlichen Lehren zu Ehe, Familie, Sexualität usw. und dem faktischen Leben der Mehrheit der Katholiken besteht, wurde unterschiedlich gedeutet: die einen sehen eine gute kirchliche Lehre, jedoch müsste die Vermittlung besser und verständlicher werden; die anderen fragen, wie auch die „Werte“ in anderen Lebensformen, die nicht den „Idealen der kirchlichen Lehre“ entsprechen, beachtet werden und der Zugang in „Gradualität“ berechtigt ist.

7. In der Diskussion und im Austausch der Meinungen und Erfahrungen zu den verschiedenen Themen zeigte sich eine große Vielfalt, oft auch sehr konträre Sichtweisen. Das wurde durch die Atmosphäre der Offenheit in den Gesprächen möglich. Hier darf ein Lernprozess erhofft werden, in dem ein besserer Umgang mit der Vielheit von Lebensformen und Glaubenspraktiken erlernt wird, ohne um die Einheit im Glauben und um die Einheit als "Volk Gottes" zu fürchten.

8. Vertieft ins Bewusstsein gerückt ist die Bedeutung der „Barmherzigkeit“. Was gilt für den Umgang mit dem Scheitern im Geist Jesu und seines Evangeliums? Barmherzigkeit und „Dogma“ dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

9. Viele Themen- und Problemfelder sind weit umfangreicher als sie in den Medien und in  populistischen Diskussionen angeführt werden. Hier darf besonders auf die Not hingewiesen werden, wenn es um den Kommunionempfang bei Frauen und Männern in einer zweiten Ehe (“wiederverheiratete Geschiedene“) geht. Eine "schnelle Lösung" ist hier nicht zu erwarten.

10. Die Begegnung mit Menschen nach einer Scheidung und in einer zweiten Ehe, die Möglichkeit für den Empfang der Sakramente erweist sich als „Bewährungsprobe“ für die Synode. Hier wurden auch außerhalb der Synodenversammlung konträre Aussagen vertreten.

11. In der Begegnung mit der Homosexualität wird eine Neuorientierung in der katholischen Kirche erfolgen. War es im Blick früherer Generation schlechthin „Sünde“, wenn jemand sich als homosexuell oder lesbisch erlebte und äußerte, so wird eine Achtung vor den Menschen für selbstverständlich genommen. Homosexuelle Menschen müssen von der Kirche seelsorgerlich begleitet und in ihrer Würde geschützt werden. Damit ist nicht gesagt, dass gleichgeschlechtliche Paare gleich zu benennen sind wie heterosexuelle Paare, die von der Schöpfung her für die Weitergabe menschlichen Lebens berufen sind.

12. Bis zur Bischofssynode im Oktober 2015 werden Theologen, Human- und Naturwissenschaftler und andere intensiv arbeiten, studieren und für eine „Fortschreibung“ der kirchlichen Botschaft ihre Beiträge leisten müssen.

 

>> zum Synoden-Tagebuch von Pater Reinhold Ettel SJ