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Bischof Schwarz warnt vor populistisch-einfachen Antworten

Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz ist Referatsbischof für Wirtschafts- und Umweltfragen in der Österreichischen Bischofskonferenz (© Foto: Markus Langer / Erzdiözese Wien)
Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz ist Referatsbischof für Wirtschafts- und Umweltfragen in der Österreichischen Bischofskonferenz (© Foto: Markus Langer / Erzdiözese Wien)

Wien, 09.03.2017 (KAP) Populistisch-einfache Antworten auf die vielfältigen Krisen und Herausforderungen der Gegenwart sind ungeeignet, zu nachhaltigen Lösungen zu führen. Das betonte der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz als Teilnehmer einer Podiumsdiskussion beim 2. "Wirtschaftsethik-Frühstück", bei dem das gastgebende Bankhaus "Schelhammer & Schattera" einen thematisch breiten Bogen gespannt hatte: Diskutiert wurden globale Krisenszenarien und notwendige Antworten auf Fragen wie: Wie sieht die Welt von Trump, Putin, Erdogan usw. aus? Welche Rolle spielt Europa im geopolitischen Machtspiel zwischen USA, China und Russland? Was kommt auf uns in diesem Jahr zu und welche Bedeutung haben dabei christliche Ethik und Nachhaltigkeit?

Der Tour d'Horizon dazu stellten sich am Donnerstag im Wiener Palais Esterhazy neben Schwarz auch Nahost-Expertin Karin Kneissl, Wirtschaftsethikerin Ramona Kordesch, Brigadier Walter Feichtinger von der Landesverteidigungsakademie, Fondsmanager Dirk Müller, Zukunftsforscher Dirk Solte und Aufsichtsratspräsident Christian Jauk von "Schelhammer & Schattera".

Der in der Bischofskonferenz für Wirtschafts- und Umweltfragen zuständige Referatsbischof Schwarz äußerte Sorge über die in Europa wachsende Angst vor einem Wohlstandsverlust, die eine Politik des Populismus befördere. Angesichts der französischen Präsidentschaftswahl im April stelle sich etwa die Frage, ob Frankreich in der EU verbleiben werde.

Als entscheidend für eine positive Zukunft des Kontinents bezeichnete Schwarz, dass der Mensch nicht als Kosten-Nutzen-Faktor gesehen werden dürfe: Er berief sich dabei auf den Aufklärungsphilosophen Immanuel Kant, der die Würde des Menschen als über jeden Preis erhaben bezeichnet hatte. Religion könne zum erforderlichen Wandel einer verkürzt ökonomistischen Sichtweise gerade dann viel beitragen, wenn sie in ihrer "transmoralischen Ebene" gesehen wird und die Menschen für Transzendenz öffnet, wie der Bischof sagte.

Sorge bereitet Schwarz auch, dass Europa "vergreist" und zum Museum werde. Es gebe hier viel Platz für ambitionierte Junge aus anderen Kontinenten, meinte er. Befragt nach der Meinung der Kirche zur globalen Bevölkerungsentwicklung sagte der Bischof, die Bestimmung der Kinderanzahl obliege den Eltern; die Kirchenleitung habe sich früher viel zu sehr in Fragen eingemischt, die das Schlafzimmer betreffen und damit auch viel an Vertrauen verloren.

"Wer liest 'Laudato si' wirklich?"

Die aus Kärnten stammende Zivilgesellschaftsforscherin der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen mit Theologiedoktorat, Ramona Kordesch, erinnerte daran, dass sich Papst Franziskus verdienstvoll in die Debatte um das "Megathema Post-Wachstum" einbringe, die Kirche insgesamt tue dies leider viel zu wenig. Und sie fragte skeptisch nach: "Wie viele Menschen lesen 'Laudato si' wirklich?" Kordesch ortete ein christlich-weltanschauliches Vakuum mit zunehmend leeren Kirchen in Europa - diesen "Ideologieverlust" mache sich der Islam zunutze.

Auf den Verlust an einer kulturübergreifenden gemeinsamen Sprache der Eliten, die 1948 noch zur Einigung auf die universalen Menschenrechte geführt hatte, wies Nahost-Expertin Karin Kneissl hin. Heutige UN-Resolutionen seien - nicht zuletzt aus Angst vor klarer Positionierung - kaum mehr lesbar. Scharfe Kritik übte Kneissl am die europäische Hochschullandschaft uniformierenden Bologna-Prozess, der Konformisten statt Querdenker hervorbringe und einen Wettstreit der besten Köpfe geradezu verhindere. Auch das öffentliche Schulwesen "zerbröselt völlig" durch den immer stärkeren Anteil an Kindern nichtdeutscher Muttersprache.

Militär-Analyst Walter Feichtinger forderte Antworten Europas und einen "Schulterschluss" in sicherheitspolitischer wie auch wirtschaftspolitischer Ebene ein: Der "Brexit" müsse ein "Weckruf" sein, ebenso die "America first"-Politik Trumps oder die Expansionspolitik Putins. Veränderungen gelängen meist nur auf äußeren Druck, Europa mit seinen enormen Ressourcen an Intellekt solle zusammenrücken - "wenn nicht jetzt, verschlafen wir die Geschichte", warnte Feichtinger.

Neue, heftigere Finanzkrise vor Ausbruch

Fondsmanager Dirk Müller erwartet nach einem "Strohfeuer" durch den Trump-Effekt an den Börsen eine Finanzkrise, die jene des Jahres 2008 an Heftigkeit deutlich in den Schatten stellen werde. Die "goldenen Zeiten" der Finanzwirtschaft seien vorbei, nun werde es einen Schritt zurück geben - mit vielen Verwerfungen, prognostizierte Müller. In Bezug auf Systemänderungen meinte er, von den auf Machterhalt ausgerichteten Eliten seien diese nicht zu erwarten, aber auch nicht von jenen, die nichts zu verlieren haben; Revolutionen gingen immer vom Mittelstand aus, der unter Existenzdruck gerate.

An den Rat von Aristoteles vor 2.500 Jahren, dass die oberen 50 Prozent der Bevölkerung nicht mehr haben sollten als zwei Drittel der Besitztümer, erinnerte der Zukunftsforscher Dirk Solte. Ohne faire Teilhabechancen in einer Gesellschaft komme es zu "Kompensationen" durch Kriminalität, Sucht und Sex. Die Welthandelsorganisation WTO müsste sich auf Standards einigen, die ein bestimmtes Armutslevel nicht unterschreiten oder Gesundheitsversorgung für alle garantieren, und diese weltweit durchsetzen. Werde heute die Komplexität globaler Probleme geleugnet, drohe ein ökologischer Kollaps. Zu vermeiden sei auch eine "Brasilianisierung" mit nur mehr militärisch abgesicherten Eliten und einem dahinsiechenden Proletariat, bei der die Mittelschicht weggebrochen sei.

Bankmanager Christian Jauk berichtete von den Bemühungen bei "Schelhammer & Schattera" um Nachhaltigkeit durch dafür geschaffene Think Tanks. Das Bankhaus fördere auch gemeinnützige Stiftungen nach US-Vorbild, die hierzulande noch wenig verbreitet seien. Denn: "Auch vermögende Menschen wollen Gutes tun!"