Organisation

Referat für Menschen mit Behinderungen

Arche-Gründer Jean Vanier erhält Templeton-Preis 2015

Jean Vanier bei der Pressekonferenz am 11. März 2015 in London (© Foto: Templeton Prize/Paul Hackett)
Jean Vanier bei der Pressekonferenz am 11. März 2015 in London (© Foto: Templeton Prize/Paul Hackett)

Der 86-jährige katholische Gründer der christlich inspirierten „Arche“-Gemeinschaften, Jean Vanier, erhält den Templeton-Preis 2015 für Verdienste rund um die Menschlichkeit. Das wurde am 11. März bei einer Pressekonferenz in London bekanntgegeben. Der im Schweizer Genf geborene Kanadier Vanier gründete vor 50 Jahren in einem Dorf 80 Kilometer nördlich von Paris die erste „Arche“-Gemeinschaft, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung gemeinsam leben und arbeiten. Berührt vom Elend geistig behinderter Menschen, deren Elend und Einsamkeit er beim Besuch einer psychiatrischen Einrichtung kennen gelernt hatte, verabschiedete er sich von seiner akademischen Laufbahn, kaufte ein Haus in der Nähe von Compiegne im Norden von Paris, um dort mit Raphael Simi und Philippe Seux, zwei Männern mit geistiger Beeinträchtigung, zu leben. Heute gibt es weltweit rund 150 „Archen“ in 35 Ländern, eine davon in Tirol, und auch in Kärnten gibt es einen „Verein Arche Kärnten, der sich für die Gründung einer Gemeinschaft engagiert. Gemeinsam mit Marie-Hélène Mathieu hat Jean Vanier 1971 die Bewegung „Glaube und Licht“ ins Leben gerufen; Gemeinschaften von Familien mit geistig und mehrfach behinderten Angehörigen und ihren Freunden. „Glaube und Licht“ umfasst heute über 1.500 Gemeinschaften in 82 Ländern. In Österreich gibt es Gemeinschaften in Klosterneuburg, Innsbruck, Inzing und Klagenfurt, weitere sind im Entstehen.

Der Templeton-Preis ist mit einem Preisgeld von umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro eine der höchst dotierten Auszeichnungen für besondere Leistungen im Bereich von Religion und Spiritualität. Er wird jährlich von der Londoner Templeton-Stiftung vergeben, die nach dem verstorbenen britischen Investmentbanker Sir John Templeton benannt ist. Zu den bisherigen Preisträgern gehörten Mutter Teresa (1973), der Dalai Lama (2012) und Desmond Tutu (2013). 2014 wurde der Prager Theologe Thomas Halik ausgezeichnet.

Die Überreichung des Preises an Vanier, der bis heute in der ersten „Arche“-Gemeinschaft im französischen Trosly-Breuil lebt, wird am 18. Mai mit einem Festakt in der St. Martin-in-the-Fields-Kirche in London stattfinden.

Lange Zeit habe die Gesellschaft Menschen mit Behinderungen als „Fehler“ betrachtet, sagte Vanier am Mittwoch in einem Statement zu seiner Auszeichnung in London. „Heute entdecken wir, dass diese Menschen eine Fülle an menschlichen Qualitäten haben, die die Herzen derer ändern können, die in einer Kultur des Siegens und der Macht gefangen sind.“ Eine Gesellschaft werde erst dann wirklich menschlich, wenn sie entdecke, „dass die Starken die Schwachen genauso brauchen, wie die Schwachen die Starken“, sagte Vanier. Er kündigte, an das Preisgeld für die Unterstützung der internationalen „Arche“ zu spenden.

„Die Botschaft von Jean Vanier ist stark, und zusammen mit seinem konkreten Umsetzen der Liebe hat sie die Macht, die Welt zu verändern, so wie sie schon die Herzen unzähliger Menschen verändert hat, die sich von diesem außerordentlichen Menschen berühren ließen“, begründete die Templeton-Stiftung ihre Entscheidung. Vanier sei „Förderer einer Gesellschaft der gegenseitigen Anteilnahme und sozialen Gerechtigkeit“, hieß es. Zudem unterstütze Vanier aktiv den Dialog und das Verständnis zwischen Christen, Hindus, Juden, Muslimen und Angehörigen anderer Glaubensrichtungen. (kap/gh)

 

>>> Zur Homepage der Templeton-Stiftung (in englischer Sprache)